Facebook kommt wegen seiner oft recht zweifelhaften Auffassungen von Datenschutz immer wieder ins Gerede – erst kürzlich provozierte eine Änderung der AGB, die eine Weitergabe von Nutzerdaten an Dritte ohne Einwilligung der Betroffenen ermöglichen soll, heftigen Protest und zahlreiche Austritte. Selbst Verbraucherschutzministerin Aigner sah sich zum Eingreifen genötigt 😉
Im Lichte dieser Tatsachen liegt es alles andere als nahe, Facebook im schulischen Kontext überhaupt als Plattform zu benutzen – und das völlig zu Recht.
Andererseits sind Plattformen wie Facebook ganz unzweifelhaft die digitale Heimat einer Mehrzahl unserer Schüler – warum also nicht auch einmal mit ihnen gemeinsam auf dieser ihrer Spielwiese agieren und die sozialen Tools der Plattform nutzen? Die erste Anregung für einen solchen Ansatz fand ich vor längerer Zeit auf dem Blog von Jazzper – leider ist der betreffende Artikel nach dem Redesign seiner Websites nicht mehr greifbar. Er implementierte LMS-Funktionen in das Arbeiten mit Facebook und nutzte dazu die sog. Fanpages – ein wirklich origineller Ansatz.
Der eigentliche Impuls kam dann aber über Facebook selbst – und zwar ziemlich überraschend. Lynn K. – vor Jahren einmal Kurzzeit-TA an unserer Schule, jetzt Dozentin an der Kutztown University (Pennsylvania) fragte mich über Facebook an, ob nicht ein gemeinsames Projekt möglich sei (die Idee und der Impuls kamen also von ihr). In einer speziell einzurichtenden Facebookgruppe sollten eine Reihe von Themen zwischen ihren Studenten und meinen Schülern besprochen werden, diese Themen ergaben sich zunächst aus den landeskundlichen Diskussionen in ihren (Deutsch-) Lehrveranstaltungen. Ich fand die Idee recht spannend, wollte aber – gerade wegen der Datenschutzprobleme bei Facebook – die Entscheidung vollständig bei den Schülern lassen. Das war insofern kein prinzipielles Problem, als es sich um einen Leistungskurs Jahrgangsstufe 12 handelte, die Schüler mithin volljährig waren.
Wir besprachen das Vorhaben; die meisten Schüler waren ohnehin schon bei Facebook, einige aber doch nicht. In den Vorgesprächen wurden die Datenschutzbedenken thematisiert, die Schüler auf einen zurückhaltenden Umgang mit persönlichen Daten hingewiesen, entsprechende Anleitungen wurden ihnen zugänglich gemacht. Alle Schüler wollten am Projekt teilnehmen, die noch nicht bei Facebook registrierten traten unter Hilfe der Erfahreneren der Plattform bei. Lynn und ich verabredeten die Gründung einer geschlossenen Facebook-Gruppe, wir beide hatten Adminstratorrechte, so war eine Zugangskontrolle (die wir für das Projekt als sinnvoll erachteten) gewährleistet. Da beide Gruppen vom Projekt profitieren sollten, wurde zumindest für den Anfang abgesprochen, in den Beiträgen die jeweilige Muttersprache zu nutzen. Sicher aus der Sicht des jeweiligen Fremdsprachenlehrers nicht unbedingt optimal, aber doch ein guter Kompromiss, da die Teilnehmer ja authentische Texte von peers in der jeweiligen Fremdsprache zu verarbeiten hatten.
Für die ersten Beiträge wurde meinen Schülern Unterrichtszeit zur Verfügung gestellt, später haben wir dann nur noch bei Bedarf und auf Wunsch der Schüler einzelne Diskussionsthemen im Unterricht ausdiskutiert, das Gros der Diskussion fand in der Facebook-Gruppe statt. Die Mischung fand ich durchaus angemessen… Ich glaube kaum, dass eine “Verschulung” einer informellen Plattform wirklich funktionieren würde.
Das erste von den Amerikanern gewünschte Thema war – geknüpft an den 20. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung – die Wahrnehmung von Ost-West-Identitäten durch die Generation meiner Schüler, deren Wissen über die Leipziger Demos und eine evtl. jetzt noch vorhandene “Mauer in den Köpfen”. Das war für meine Schüler zunächst eher ein Un-Thema, sie sahen nicht allzu viel persönlichen Bezug und hätten wohl lieber Anderes diskutiert. Ihre Beiträge waren dann aber doch sehr interessant zu lesen, mancher sprach nochmal mit den Eltern und sah plötzlich ganz neue Facetten…
Damit war das Eis gebrochen – und es entwickelte sich ein Strauß an sehr unterschiedlichen Themen: Komasaufen und Alkoholge- und mißbrauch, die Wahrnehmung des Holocaust, Patriotismus und Nationalstolz, der Afghanistankonflikt. Genug Gesprächsstoff also, mit einem ziemlich breiten Meinungsspektrum auf jeder der beiden Seiten.
Was lässt sich in der Rückschau sagen? Das Projekt war durchaus spannend und ambitioniert. Anlaufprobleme waren in der relativ geringen Verbindlichkeit, dem recht abstrakten ersten Thema und Terminproblemen begründet. Auch am Ende kamen auf unserer Seite nicht mehr sooo viele Beiträge zustande – 2 Wochen Osterferien und die anschließende Prüfungsvorbereitung forderten ihren Tribut. Die Beteiligung – ohnehin freiwillig und nicht direkt an den Unterricht gebunden – war sehr unterschiedlich. Einige meiner Schüler – durchaus auch welche, denen ich ein solches Mitteilungsbedürfnis gar nicht unbedingt zugetraut hatte – schrieben oft und ausführlich, sehr eigenständig und engagiert, andere meldeten sich eher sporadisch. Unter den gegebenen Bedingungen ist das auch ganz in Ordnung so, kann aber natürlich auf der Gegenseite auch zu enttäuschten Erwartungen führen.
Die Frage bleibt, ob es Facebook sein muss. Ein vergleichbares – auch eher informelles – Projekt lässt sich natürlich auch auf anderen Oberflächen durchführen: selbst gehostete Foren, ein Blog, zugangskontrollierte Umgebungen wie Moodle oder Mahara, Community-Oberflächen wie Ning oder mixxt usw. Der eigentliche (und möglicherweise einzige) Vorteil der Facebook-Gruppe: Die Schüler bleiben auf “ihrem” Spielfeld, Facebook ist eben gerade nicht eine geschlossene schulische Plattform, es könnten sich durchaus auch Austauschbeziehungen abseits der geschlossenen Gruppe entwickeln. Mit nicht volljährigen Schülern täte man sich in Facebook sicher schwerer. Andererseits wäre auch zu überlegen, ob die Gruppe denn wirklich geschlossen sein muss. Für ein vorab verabredetes bilaterales Projekt ist das sicher sinnvoll – in einem anderen Setting würde man vielleicht eine offene Gruppe wählen. Entscheidend ist natürlich die Themenwahl – was für eine Seite spannend und aktuell ist, mag für die andere Seite eher irrelevant sein. Spannend ist der Umgang mit Klischees – offensichtlich hatten die amerikanischen Studenten zum Thema Komasaufen schockierende Zeitungsartikel gelesen, die Realität unserer Schüler sah dann nicht gar so schlimm aus 😉
Alles in allem ein spannendes Unterfangen, der Dank gilt zu allererst Lynn und ihren Studenten. Ein Nachfolgeprojekt wär schön – und vielleicht krieg ich einige meiner Schäfchen dazu, hier in einem Kommentar ihre Wahrnehmung der Dinge zu äußern…
Als die Idee aufkam, diese facebook-Gruppe zu gründen und uns mit den Studenten aus Amerika auseinanderzusetzen, war ich recht spektisch. Es kamen erste Fragen auf, wie zum Beispiel: Was für Themen werden diskutiert? Wird man als Schüler auch Zuhause daran arbeiten wollen? Was ist vor allem der persönliche Nutzen? Und wie werden die Studenten auf uns und unsere Ansichten reagieren?
Ein erster Knackpunkt, der aber schon erläutert wurde, war die Plattform facebook, die ja teilweise eher berüchtigt als berühmt ist. Trotzdem haben wir das Angebot angenommen, die Themen gingen anfangs vor allem in Richtung des “Ost-West-Konfliktes”. Bei manchen Mitschülern kam ein leichtes Stöhnen auf, bei mir nicht, da mich dieser Bereich und vor allem die Auswirkungen auf meine Generation sehr ansprechen. Man sieht ja heute noch Extremfälle, die diese kulturelle Spaltung doch verdeutlichen. In einem wunderbar flüssigen Übergang kamen wir zu “Komasaufen”. Ebenfalls ein heute sehr großes und doch abschreckendes Thema, das aber vor allem eines zeigte: in dieser Gruppe geht es nicht nur um Politik von anno dazumal. Es ging über Nationalstolz, ein heute noch gefährliches Thema in Deutschland, bis hin zum Afgahnistankonflikt, bei dem ich mich sehr für die amerikanische Ansicht interessierte, man hört hier ja zumeist nur die Ansichten deutscher Medien, nicht sonderlich auskunftsstark.
Ein Problem wurde oben bereits angesprochen, die Zeit, ich persönliche habe viel und gerne mit den amerikanischen Studenten geschrieben, jedoch fehlte mir aufgrund von Prüfungsvorbereitungen irgendwann die Zeit. Für Schüler also mitunder ein wenig schwieriger, vielleicht sollte man ein solches Projekt bereits zu Beginn der Oberstufe anbringen, dann ist genug Spielraum für alle Beteiligten vorhanden.
Zudem wäre nicht das Problem mit facebook, da in Klasse 11 auch einige schon an das Erwachsenenalter grenzen. Ich würde sowieso ablehnen, eine andere Plattform als diese zu nutzen. SchuelerVZ und StudiVZ sind in Amerika eher fehl am Platze, daher nicht gut geeignet. Bei Seiten wie Moodle muss ich sagen, dass sie zum Lernen und für den Unterricht sehr gut sind, ich gestehe hiermit jedoch, dass ich in meiner hochgeschätzten Freiheit von der Schule nur selten diese Seite aufgerufen habe 😉 Im facebook hingegen tummel ich mich jeden Tag herum, ideal also, um auf internationaler Basis solche Diskussionen zu führen.
Insgesamt, vor allem rückblickend, sehe ich das Projekt als ein wertvolles seiner Art, da es mir geholfen hat, auch mal andere Ansichten zu unseren täglichen Themen zu bekommen, bei mir ist es dadurch begünstigt, dass diese Themen mich interessieren. Wie gesagt würde ich empfehlen, das Ganze schon vorher anzusetzen, vielleicht auch noch mehr zweisprachig, damit wir noch mehr im Schreiben/Lesen von Englisch geschult werden 😉 Ansonsten jedoch eine durchaus hübsche Idee, für weitere Klassen denke ich ebenso geeignet.
Aus meiner Sicht war das Projekt eine gute Idee. Ich finde es schön, dass wir dadurch ganz unmittelbar authentischen Umgang mit Muttersprachlern hatten, was sonst ja nicht all zu leicht herzustellen ist.
Dass wir unsere Beiträge auf deutsch schreiben durften, finde ich sehr gut und notwendig. Dadurch konnten wir ganz unkompliziert (und ohne Bedenken über Grammatik und Vokabeln) aufschreiben, was uns in den Sinn kam. Natürlich ist es die Aufgabe des Englischunterichts, diese Sprachbarrieren durch direkte Anwendung der Fremdsprache abzutrainieren. Die im East-West Forum diskutierten Themen hätten jedoch so nur an der Oberfläche berührt werden können, was nicht Sinn eines Kulturaustausches ist. Also haben wir englisch lesen geübt.. 😉
Das Projekt würde ich als teilweise geglückt bewerten, da es von uns allen nicht in einem solchen Umfang genutzt wurde, wie ich das erwartet hatte.
Das liegt meiner Meinung nach daran, dass uns der Antrieb gefehlt hat. Zu vorhandenen Themen hat der Durchschnittsschüler ein, zwei Beiträge geschrieben. Es kamen jedoch nicht so viele Fragen auf. Vielleicht wäre es für eine Wiederholung des Projektes im nächsten Schuljahr (die ich durchaus empfehlen würde) sinnvoll, dass beteiligte Lehrer diese “interviewende” Rolle stärker übernehmen, denn dass unter lauter Schülern eine brennende Diskussion zustande kommt, ist eher der Idealfall. Und so bald es langweilig wird, fehlt dann vielen die Motivation, die Nachrichten weiter zu verfolgen.
Ausserdem habe ich mir im Nachhinein noch etwas mehr unterrichtliche Anleitung, bzw Erinnerung gewünscht. Es wurde vielleicht zwei, dreimal thematisiert. Bei dem ganzen Stress den wir hatten und den Ferien hab ich persönlich jedoch vollkommen vergessen, dass es diese Gruppe noch gibt.
Alles in allem also eine wirklich nette, aber ausbaufähige Idee!