Seltsam ist es schon: In einer Zeit, in der Computerspiele immer komplexer werden und mit fotorealistischer Grafik verwöhnen, erreicht ein an Lego gemahnendes Spiel namens Minecraft in grober Pixelgrafik Kultstatus und bindet eine große Gefolgschaft an sich. Schon in der Betaphase vor dem offiziellen Start gab es mehr als 10 Millionen aktive Spieler.
Das Spielprinzip: In einer endlos großen Welt kann der Spieler unterschiedliche Rohstoffe abbauen, aus diesen wiederum Baustoffe und Werkzeuge herstellen und dann fast völlig frei Bauwerke aller Art erschaffen. Besonders attraktiv ist der Multiplayer-Modus, in dem man mit anderen Spielern beim Bau kooperieren (oder konkurrieren) kann.
Das Spielprinzip war sehr bald auch für pädagogische Kontexte attraktiv; inzwischen gibt es auch eine Plattform Minecraft Edu, auf der Mods, Unterrichtsideen und preisgünstiger lizenzierte Varianten des Spiels angeboten werden.
Da traf es sich doch gut, dass ein von Schülern geäußertes Wunschthema unserer diesjährigen Projektwoche “Computerspiele” war – was lag näher, als das Prinzip Minecraft mit einzubeziehen?
Dabei sind wir wie folgt vorgegangen:
Die Schülergruppe, die sich in das Projekt eingewählt hatte (allesamt Jungen, Klassenstufen 6-8), sammelte zunächst Ideen und Fragestellungen für die Projektwoche. Da das gesamte Projekt auf einem Blog begleitet werden sollte, bekamen die Schüler dann zunächst eine Einführung in die Erstellung von Artikeln.
Ausgangspunkt war dann eine Reflexion des eigenen Spieleverhaltens und eine entsprechende Umfrage. Daran schloss sich eine Arbeitsphase in Expertengruppen an, dort wurden Themen wie Geschäftsmodelle und Distribution von Spielen, Altersfreigabe, Gefährdungspotenziale, Spielegenres usw. recherchiert und aufbereitet.
Jeder Schüler hatte dann die Möglichkeit, eines seiner Lieblingsspiele mit einem Steckbrief vorzustellen, dabei orientierten wir uns an den Spielebesprechungen von spielbar.de
Endlich ging es dann an Minecraft – eigentlich aber auch wieder nicht. Da Minecraft kostenpflichtig ist und selbst die Edu-Variante für uns nicht bezahlbar wäre, entschieden wir uns für das freie, fast identische Spiel Minetest. Das Spiel muss dabei nicht installiert werden, sondern kann direkt von der entsprechenden .exe aus gespielt werden. Für die spätere Multiplayer-Phase wurde ein eigener Minetest-Server unter Ubuntu aufgesetzt.
Zunächst machten sich die Schüler mit der Spielmechanik vertraut (dabei halfen diejenigen, die Minecraft schon kannten) und unternahmen erste Schritte im Einzelspielermodus. Mit der so gewonnenen Sicherheit ging es in den Mehrspielermodus; in kleinen Gruppen mit 3-4 Teilnehmern wurden erste Bauwerke errichtet, in gegenseitigen “Besuchen” wurden die Häuser bewundert, später durch ein Straßennetz verbunden. An dieser Stelle musste gelegentlich eingegriffen werden, da einzelne Spieler sabotierten und Mitspieler angriffen; hier gab es aber durchaus deutliche Reaktionen aus der Gemeinde.
Das Kampfverhalten ließ mit der nächsten, sehr komplexen Aufgabe aber schnell nach: Das komplette Schulgebäude nebst Hof und Nebengebäuden sollte nachgebaut werden, dazu wurden die einzelnen Bauteile zunächst an kleine Gruppen verteilt. Die Maße der Baukörper wurden per Schrittmaß abgenommen, die Fensteraufteilung usw mit Handyfotos erfasst und ein grober Bauplan auf Karopapier entworfen. Der Grundriß des Hauptgebäudes ist dann im Spiel markiert worden, die anderen Teams hatten so eine Orientierung für ihre Bauteile. Der eigentliche Bauprozess war von Aufgabenteilung geprägt: Einzelne Spieler sorgten für Rohstoffnachschub, andere bauten. Zwischen den einzelnen Gruppen gab es einen überaus regen Austausch: Werkzeuge und Rohstoffe wurden gehandelt, Anschlussdetails mussten besprochen werden. Fast immer ging es außerordentlich konstruktiv und kollegial zu.
Der zeitliche Aufwand war nicht unerheblich; es war nicht möglich, den kompletten Schulbau einschließlich des “Innenlebens” fertigzustellen. Die äußere Hülle jedoch war sehr nahe an der Realität, bei der Projektpräsentation vor Eltern und Besuchern gab es eine Menge Staunen und Anerkennung.
Was bleibt als Fazit? Als konstruktive und kooperative Alternative zu üblichen Spielen ist Minecraft / Minetest außerordentlich attraktiv, der Mehrspielermodus fordert bei Projekten wie dem hier beschriebenen ein hohes Maß an Planung, Absprache und konstruktivem Miteinander. Die Möglichkeit, recht unkompliziert einen eigenen Server zu betreiben, ist gerade für schulische Projekte eine gute Voraussetzung.
Es war dies sicher nicht das letzte Mal, dass ich ein solches Projekt mit Schülern angehe…
Dankbar bin ich für folgende Hilfsquellen:
- Etliche Diskussionsbeiträge und Hilfestellungen gab es in der Facebook-Gruppe Medienpädagogik
- Sehr hilfreich war der direkte Kontakt zu Gerrit Neundorf von Spawnpoint , besonders ergiebig war dort das Projekt “Build Something”
- Die Beschreibung schulischer Projekte bei gameskompakt , Spielraum, Initative Medienpass NRW und beim Medienpädagogik-Praxis-Blog.
Interessant auf jeden Fall, aber ist das auch wiederholbar bzw. in die Schulpraxis- und realität integrierbar??? Ich fänd’s in jedem Fall toll!!!