In unserem Bundesland, das sich öffentlich immer wieder gern als erstklassiger Standort von Medien und Medienbildung präsentiert, wird derzeit eine Ausweitung des bisherigen integrativen Kurses Medienkunde (derzeit bis Klasse 7) bis auf Klassenstufe 10 implementiert. So sehr dies auch von einer Wertschätzung des hohen Stellenwerts von Medienbildung zeugt, so umstritten sind die Details. Von den betroffenen Akteuren (Lehrern, in der Fortbildung befindlichen Multiplikatoren, Fachberatern und anderen Fortbildnern…) werden diese Details heftig diskutiert. Das betrifft natürlich die Inhalte des Kurses (vgl. den aktuellen Kursplan) – aber auch die unterrichtsorganisatorische Umsetzung als an wechselnde Leitfächer gekoppelter integrativer Kurs, der nicht extra in der Stundentafel ausgewiesen wird.
Es gibt gewichtige Argumente für dieses Modell – aber auch ernstzunehmende Gründe für einen (zumindest zeitweise realisierten) regelrechten Fachstatus.
Im Lichte dieser Auseinandersetzung kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie “Medienbildung – (K)ein Unterrichtsfach” wie gerufen, um die Argumente für und wider Fachstatus nochmals Revue passieren zu lassen. Die Studie wurde von der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein in Auftrag gegeben und von Erziehungswissenschaftlern der Uni Hamburg realisiert.
Eine außerordentlich gründliche und durchaus kritische Auseinandersetzung mit Inhalt und Argumentationsweise der Studie hat Rene’ Scheppler in seiner Lernwolke publiziert. Absolut lesenswert und anregend – auch und besonders die Kommentare. Die Diskussion wird durchaus leidenschaftlich und oft sehr grundsätzlich geführt, der geneigte Leser bekommt sehr schnell einen Überblick über die mögliche Spannbreite der Positionen.
Ich würde mir sehr wünschen, dass sowohl die Studie als auch die Fachdiskussion im Meinungsbildungsprozess rund um den Kurs Medienkunde in Thüringen zur Kenntnis genommen würden…
In die Diskussion hab ich mich ein wenig eingemischt, die betreffenden Positionen können also dort nachgelesen werden. Ein paar Eckpunkte sollen aber vielleicht doch noch einmal festgehalten werden – die Positionen speisen sich aus etlichen Jahren Unterrrichts- und Fortbildungserfahrung auf dem Gebiet, aus Diskussionen mit Akteuren auf allen Ebenen, aus dem Abwägen theoretischer Positionen und unterrichtspraktischen sowie -organisatorischen Realitäten.
- Medienbildung (oder Medienkompetenzentwicklung, oder media literacy – die Begrifflichkeiten sind oft unscharf) umfasst *mehr* als “neue” Medien, aber ganz sicher auch mehr als nur traditionelle Medien.
- Medienbildung muss mehr umfassen als bloß instrumentale “Bedien”kompetenzen.
- Gerade auch beim Thema Medienbildung gibt es erhebliche Differenzierungen bei unseren Schülern, mit denen es umzugehen gilt.
- Gerade unter Lehrern gibt es ganz erhebliche Defizite in Medienbildung und -kompetenzen.
- Ohne gut ausgebildete und interessierte Lehrer wird sich ein Medienbildungskonzept gleich welcher Art nicht durchsetzen lassen.
- Medienbildung ohne hinreichende Ressourcen (Zeit, Infrastruktur, Technik, Räume, Freiräume) funktioniert nicht.
- Ein Fachstatus kann – zumindest in jüngeren Klassen und später zeitweise (zB Blockunterricht) die sehr übungsintensive Vermittlung instrumentaler Fähigkeiten deutlich unterstützen.
- Ein (zeitweiliger) Fachstatus kann Medienkunde aus dem derzeitigen Status als planungstechnische Verfügungsmasse befreien.
- Ein solcher Fachstatus setzt gut ausgebildete, möglichst zertifizierte Lehrer (Unterrichtserlaubnis) voraus, auch um der derzeitig oft zu beobachtenden Praxis von “Zwangsverpflichtungen” nicht ausgelasteter Lehrer zu begegnen.
- Vom Fachstatus völlig unabhängig muss sich Medienkompetenzentwicklung in allen Unterrichtszusammenhängen wiederfinden.
- Einbeziehung externer Partner ist bei der Vielfalt der Themen, Techniken und Probleme unerlässlich.
Eine Begründung dieser Positionen findet sich im oben angeführten Blogkommentar.
Was meinen andere Praktiker dazu?
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