Die rezeptive Auseinandersetzung mit Cartoons ist im Englischunterricht schon lange bewährter Standard (vgl. dazu diesen Beitrag). Der produktive Umgang damit – also das Selbst-Erstellen von Cartoons – ist auch nicht mehr ganz ungewöhnlich. Das Aufkommen entsprechender Online-Tools hat das Erstellen und Veröffentlichen sehr ansprechender eigener Cartoons einfacher und attraktiver gemacht. Einige Beispiele für diese Tools: Pixton, stripgenerator, Comiqs, ToonDoo.
Hochinteressant auch die Tools zum Erstellen von animierten Cartoon wie z.B. GoAnimate.
Einen guten Überblick über eine Reihe von Tools und mögliche Unterrichtsszenarien bietet ein Beitrag auf Richard Byrne’s Blog.
Hier möchte ich jetzt einen Ansatz zur Diskussion stellen, in dem mein Englischkurs (Klassenstufe 11) Cartoons erstellt hat, um sich mit komplexen Erzählperspektiven auseinanderzusetzen. Der Ausgangspunkt war wie folgt: Innerhalb einer großen Unterrichtseinheit zu Literatur und literarischen Gestaltungsmitteln geht es immer auch um eine Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichsten Erzählinstanzen und -perspektiven. Obwohl die Problematik im Deutschunterricht wiederholt thematisiert wird und die typischen Erzählperspektiven sich eigentlich recht gut an literarischen Beispielen illustrieren und untersuchen lassen, fällt die zugegebenermaßen etwas abstrakt-literaturtheoretische Auseinandersetzung mit dem Thema vielen Schülern erstaunlich schwer. Um diesen Schwierigkeiten angemessen begegnen zu können, sind passende Texte und originelle Zugriffe natürlich stets willkommen.
Als Textgrundlage nehm ich sehr gern den Anfang von Mark Twains ” A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court”. Nicht nur, weil ich Twain sehr mag, sondern auch und vor allem, weil der Romanbeginn eine erzähltechnische Perle ist. Es geht um das “Preface”, der komplette Romantext steht z.B. bei literature.org online zur Verfügung. Im Preface werden 3 – eigentlich sogar 4 – Erzählstränge kunstvoll miteinander verwoben: Der Ich-Erzähler der Rahmenhandlung berichtet von seiner ersten Bekanntschaft mit dem “Stranger”, darin eingebettet liegt ein Auszug aus Thomas Malorys Artus-Legende; sodann berichtet der “Stranger” in einer mündlichen Erzählung davon, wie er ins England König Arthus’ geworfen wurde. Im Anschluss wechselt die Erzählung in des Ich-Erzählers Lektüre des schriftlichen Bericht des Strangers, der dann den größten Teil des Romans ausmacht. Diese verwobene Struktur bietet sich für eine Auseinandersetzung mit Erzählperspektiven geradezu an, da erst ein Verständnis der verschiedenen Erzählebenen ein adäquates Verständnis der Romanexposition möglich macht.
Im Unterricht haben wir zunächst in Kleingruppen die einzelnen Erzählsituationen getrennt und beschrieben, wichtig war mir dabei vor allem die Erkenntnis, welche Wirkung auf den Leser die jeweilige Perspektive ausübt.
Um die Trennung der einzelnen Perspektiven anschaulicher umsetzen zu können, kam ein schon etwas älteres Online-Tool zum Einsatz: Der Story Creator von Myth and Legends. Wie der Name schon sagt, ist der Dienst ursprünglich für das Umsetzen (englischer) Mythen und Legenden gedacht. Äußerlich kommt der Dienst ein wenig altbacken daher (modernes Web 2.0 geht anders), auch die Auswahl und Gestaltung der Charaktere erinnert eher an Kinderbuchillustrationen. Interessanterweise haben sich aber (entgegen meinen Erwartungen) alle meine Schüler für diesen Dienst entschieden – als Alternative stand der oben erwähnte Stripgenerator, dessen Ästhetik erheblich “cooler” daherkommt. Der Dienst richtet sich wohl auch eher an jüngere Nutzer – und ist direkt auf den schulischen Gebrauch zugeschnitten. Das äußert sich u.a. darin, dass man sich als Lehrer registrieren lassen kann. Die Schüler können dann ihre fertigen Cartoons beim Lehrer einreichen, der sie bei Bedarf editieren und Rückmeldung geben kann sowie über die Freigabe zu entscheiden hat. Wie sich herausstellte, sollte man das auch durchaus ernst nehmen: Mir sind einige Slangbegriffe in Titeln und Sprechblasen durchgegangen, das resultierte in einem höflichen Anschreiben durch die Betreiber und der Löschung der betreffenden Animationen.
Was kann der Story Creator? Es können selbstablaufende (teilanimierte) Comics erstellt werden, dafür stehen eine große Anzahl an Charakteren, Hintergründen, Requisiten zur Verfügung. Es gibt jeweils einen Randbereich für Erzähltexte sowie die üblichen Sprechblasen. Einzelteile (Gliedmaßen und Gegenstände) können animiert werden, auch Audio lässt sich nutzen – bis hin zur Aufnahme von Audiokommentaren. Eigenes Bildmaterial lässt sich ebenfalls hochladen und verwenden. Auf diese Weise lässt sich Einzelbild für Einzelbild der Comic zusammensetzen und eine Geschichte erzählen. Nützliche Funktionen sind zB eine Storyboard-Ansicht, in der man die Einzelbilder sortieren kann sowie eine Druckfunktion.
Weniger komfortabel wird es bei der Ausgabe: Will man das Comic nicht nur auf der Plattform belassen und veröffentlichen, besteht nur die Möglichkeit, das fertige Produkt als gezippte html-Dateien herunterzuladen. Andere Formate oder gar eine moderne embedding-Funktion sind leider nicht vorgesehen – das ist nicht mehr so ganz zeitgemäß. Trotzdem hat der Storycreator durchaus Potenzen…
Im vorgestellten Unterrichtsszenario hatten die Schüler sich für einen der Erzählstränge im “Connecticut Yankee” zu entscheiden. Der sollte sauber aus dem Zusammenhang gelöst und als Comic umgesetzt werden, dabei sollten die Erzählperspektive, der chronologische Ablauf etc. erhalten und adäquat in das neue Medium transferiert werden. Die Schüler waren sehr intensiv und mit Phantasie dabei, das Isolieren der Einzelperspektiven gelang in der Regel recht gut, so dass eine gute Grundlage für die weitere unterrichtliche Auseinandersetzung mit Erzähltechniken gegeben war. Hier ein Beispiel:
Titel: | Beispiel Storycreator |
Etwas unbefriedigend gestaltete sich die Art und Weise, wie die Beiträge eingereicht werden können, das ist denn doch ein wenig hölzern. Versehentlich nicht eingereichte, sondern direkt veröffentlichte Comics sind auch kaum aufzufinden – die Suchfunktion ist da nur sehr bedingt hilfreich. Dennoch: Das Tool ist sehr empfehlenswert für kreativeres Arbeiten selbst mit älteren Schülern. Wenn die Macher der Website einmal eine Aktualisierung in Optik und Ausgabefunktionen zukommen lassen, wird das auch in Zukunft so sein.
Liebe Kollegen – benutzt Ihr ähnliche Tools, wie sind Eure Erfahrungen?
lieber Uwe,
ich glaube, ich werde diesen Artikel auf meinem Blog verlinken. : )(darf ich das?)
Dein Artikel bietet nämlich einen guten Überblick über die wichtigsten Cartoon-Tools mit Beschreibung,Unterrichtsszenarien und sehr nützlichen weiterführenden Links. Und die Tools passen sehr gut auch zum DAF-Unterricht.
http://comiqs.com/editor/ gefällt mir besonders gut, denn hier kann man auch mit Fotos arbeiten, ich werde es meinen MMF5lerInnen auch empfehlen, weil wir uns gerade jetzt mit den Themen Neue Präsentationstechniken und Online-Fotos beschäftigen. (Copyright gehört auch dazu…)
gLG
Tünde